Sonntag, 11. März 2012

Die CSU und ihre Ressourcen

Am 16. März findet der zweite Netzkongress des CSUnet statt.
Dort soll das 1. Positionspapier des CSU-Netzrates mit dem hochtrabenden Titel "In Freiheit und Fairness" vorgestellt werden.

Grundsätzlich begrüße ich ja das Bemühen der CSU, sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen und sich mit dem Netz und allgemein der neueren technischen Entwicklung zu beschäftigen. Mein Vertrauen in die Kompetenz der CSU bei diesem Thema (und vielen anderen) ist jedoch nicht allzu groß, also wollte ich mir das Positionspapier [1] doch mal näher ansehen.

Vorwort

Zuerst ist mir aufgefallen, dass nach 3 Seiten Bilder, Impressum, "Vorspann" die Seite 5 mit einem Vorwort von Frau Dorothee Bär, MdB beginnt. Ich gehe jetzt aber mal davon aus, dass bei der Nummerierung Fehler passiert sind, und keine Seite absichtlich der Öffentlichkeit vorenthalten wird.

Nun gut, wir sind also beim Vorwort angekommen. Gleich der erste Unterschied zu piratigen Positionspapieren: Personen sind wichtig. Nun gut, wenn es hilft, die CSU zu über das Netz aufzuklären, meinetwegen.

Aber was sich alleine in diesem Vorwort finden lässt, gibt gleich den ersten Anlass zu staunen.

Frau Bär beginnt mit folgendem Satz:

"[...] die Netzpolitik ist bis heute ein weitgehend weißer Fleck in der deutschen Parteienlandschaft."
Tja, wenigstens wird hier die Piratenpartei mit einbezogen, sonst hätte das Wort "weitgehend" wohl gefehlt. Dass man uns nicht namentlich nennt, kann man bei einem Positionspapier der CSU verstehen.

Kurz danach folgt dann:
"Die CSU will hier eine Vorreiterrolle übernehmen."
 Wäre es vermessen, hier laut "zu spät!" zu rufen? Ich glaube nicht. Das Pferd, welches uns bei diesem Thema noch einholen könnte, würde wohl zweifellos weltweit alle Rennen gewinnen und nicht von der CSU geritten werden. Auch wenn dieser Wunschtraum gleich noch weiter getrieben wird:
"Die CSU stand schon immer an der Spitze des technischen Fortschritts."
Zugegebenermaßen etwas polemisch ausgedrückt: Nicht mehr, seit das Rad erfunden wurde!

Frau Bär erzählt uns im weiteren Verlauf etwas über die CSU:
"Wir wollen die Themen der Zukunft gestalten.
Wir vertrauen dem mündigen Bürger.
Wir wollen eine lebendige Mediendemokratie."
Darauf, wie sehr uns die CSU vertraut, muss ich wohl kaum noch eingehen, wenn man ihre bisherige Politik betrachtet, oder?
Aber betrachten wir das Wort "Mediendemokratie". Hier wurde bewusst "Mediendemokratie" gewählt, nicht "Demokratie". Warum? Ich weiß es nicht, aber ich möchte hier gerne die Wikipedia [2] zu "Mediendemokratie" zitieren, ohne weiteren Kommentar, ihr werdet euch selbst entscheiden müssen, was ihr davon haltet:
"Mediendemokratie zeigt sich beispielsweise daran, dass sich die politischen Entscheidungen, die Präsentation von Politikern und ihre Aussagen an den Bedürfnissen der Massenmedien, insbesondere denen des Fernsehens bzw. seiner Zuschauer, orientieren. Mit dem Begriff "Mediokratie", den der Dortmunder Politikwissenschaftler Thomas Meyer verwendet, soll zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die Politik der Medienlogik geradezu unterwerfen muss. Dies kann dazu führen, dass politische Veranstaltungen und Ausdrucksformen mehr oder weniger zu Inszenierungen werden."
Auch interessant ist, dass der Piratenpartei oft vorgeworfen wird, die Basisdemokratie würde uns unflexibel machen und wir könnten nicht schnell auf aktuelle Ereignisse reagieren. Nun, das Netz existiert schon eine gewisse Zeit, und selbst jetzt schreibt Frau Bär:
"Wir alle müssen uns fragen, was das Internet für uns in 5 oder 10 Jahren leisten soll."
Klar, was in 5 oder 10 Jahren passieren wird, frage ich mich auch. Mehr interessieren würde mich jedoch, was das Internet heute bereits leistet.

Das Positionspapier

Ab Seite 7 beginnt nun das Positionspapier selbst. Wird ja auch Zeit. Wir werden hier darauf hingewiesen, wie wichtig Medienkompetenz ist.
"Hierfür ist unter anderem IT-Sicherheit zu gewährleisten und Datenmissbrauch zu unterbinden. Vorbedigung hierfür ist aber - mit hoher politischer Priorität - die Vermittlung eines ausreichenden Maßes an Medienkompetenz, und zwar für alle Akteure."
"Für alle Akteure", wie wahr. Ich würde mir wünschen, dass hier in der eigenen Partei begonnen wird. Da wäre es dringend nötig.

Das Positionspapier geht weiter und wir erfahren viel über die Notwendigkeit von "Meldebuttons" in sozialen Netzwerken. Wem diese Buttons jedoch was genau melden sollen, ist nicht so ganz klar. Dem Betreiber illegale Inhalte? Den Behörden oppositionelle Inhalte?

Aber auch das "geistige Eigentum" bzw. die "fundamentale Bedeutung des (geistigen) Eigentumsschutzes" bleibt nicht unerwähnt. Ich glaube, diesen Begriff wird man der CSU nie wieder abgewöhnen können, oder?

Eine kleine Lanze muss ich jedoch mal brechen für dieses Positionspapier, und zwar aufgrund folgender Aussage:
"Insbesondere der erhebliche Interpretationsspielraum betreffend das Merkmal des "gewerblichen Ausmaßes" bei Urheberrechtsverletzungen könnte durch den Gesetzgeber zielführend konkretisiert werden."
Zum Kontext: Es geht um "Massenabmahnungen als Geschäftsmodell".
Sofern der Gesetzgeber hier eine wirklich sinnvolle Regelung schafft, wäre es mit Sicherheit eine Verbesserung der jetzigen Situation. Ob die CSU die richtige Partei dafür ist, wage ich zu bezweifeln, aber belehrt mich gerne eines Besseren. Und solltet ihr das schaffen: Hört dann nicht wieder auf. Das ist nur ein erster Schritt, um betroffene Bürger kurzfristig zu schützen. Quasi eine "Brückentechnologie".

Ok, genug des Lobes für die CSU. Meine kurzfristig aufkommende Sympathie hatte sich beim Weiterlesen gleich wieder erledigt.
"Informationen, deren Entstehung bereits über Steuergelder (etwa im Rahmen öffentlicher Wissenschaftsförderung) finanziert wurden, sollen im Kern frei zugänglich sein."
Warum nur "im Kern"? Die Bürger haben diese Forschung bezahlt, also lasst uns doch gefälligst auch daran teilhaben. Und zwar ganz. Nicht "im Kern".

Den kleinen Hinweis auf den "Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet" mit Bezugnahme auf "den Umgang mit gewalthaltigen Computerspielen" werde ich nicht wieder diskutieren, das haben andere getan, weit besser als ich und schon viel zu oft. Zugehört hat die CSU wohl nie, also warum sollte sie es diesmal in meinem Blog tun.

Also zum nächsten Punkt, es geht um Chancen für Unternehmen. Warum "die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sorgfältig beobachtet" werden muss, ist mir unklar. Auch, wie das passieren soll. "AboFallen" und Ähnliches zu unterbinden sehe ich dagegen als richtig und wichtig an, nur zu, ich bin gespannt.

Beim nächsten Zitat wusste ich nicht, ob ich ob der Dreistigkeit weinen sollte oder lachen.
"Staatliche IT-Steuerung muss innovationsfreundlich und marktorientiert ausgerichtet sein, um zukunftsfähig zu bleiben."
Marktorientiert? Ernsthaft? Marktorientiert? Ein winzig kleiner Tipp als Alternative: Bürgerorientiert, wär doch mal was Neues. Einfach ausprobieren. Mit marktorientiert wird es nichts mehr mit "50 + X".

Ein bisschen Einsicht herrscht jedoch auch bei der CSU:
"Der Staat hat in Bezug auf IT-Einsatz und Internetnutzung unterdessen viel Vertrauen verloren, nicht zuletzt aufgrund gescheiterter IT-Projekte, Datenpannen und verfassungswidriger Gesetze (Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, Computerwahlen u.a.m.)."
Übrigens: Danke für all das, hat uns eine Menge Wähler gebracht.

Beim Thema "Open Government/Open Data" habe ich dann gemerkt: Die CSU geht nicht davon aus, dass irgendjemand ihre Positionspapiere liest. Sonst würde dort doch nicht zwei mal stehen, dass der "Bürger zur Ressource avanciert". Und zwar als ein positives Ziel.
Liebe CSU: Ich finds ja schon schlimm, wenn ihr sowas denkt! Aber aufschreiben? Hallo? Den Wähler, der sich denkt "Bei der CSU bin ich eine Ressource! Die wähl ich!" will ich treffen.

Nächstes Zitat:
"Er (Anm.: der Staat) kann aber - bildlich gesprochen - wie ein "Schiedsrichter" das freie "Spiel" der Internetnutzer beobachten, ab und zu lenkend, ermahnend oder auch sanktionierend eingreifen, ohne den "Spielfluss" übermaßig zu stören."
Soso, wir sollen beobachtet werden. Gelenkt werden. Ermahnt werden. Sanktioniert werden. Versucht es doch mal, hat ja bei den bisherigen Gesetzesinitiativen schon so gut geklappt, gell?

Immerhin werden Internetsperren als "untaugliches Instrument" eingestuft. Die CSU ist also doch lernfähig. Ein bisschen zumindest, denn kurz danach folgt:
"[...] die Entwicklung neuer freiheitsschonender Technologien zur Früherkennung krimineller Bedrohungen [...]"
Bin ich der einzige, der schon jetzt die nächste Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sieht?

Zum Ende des Papiers steht dann noch der Satz:
"IT soll den Menschen dienen, nicht umgekehrt."
Liebe CSU, da habt ihr vollkommen Recht. Aber denkt bitte daran, genau das Gleiche galt auch mal für Politiker. Ich hoffe, ihr erinnert euch daran.

Das Positionspapier wird auch nochmal in 10 Positionen zusammengefasst. Hier steht dieser Vorschlag:
"Der "einfache Nutzer" braucht eine verständliche Anleitung, welche Nutzungsformen insoweit von vorneherein gesetzlich erlaubt sind [...]"
Tja, Internetsperren sind vom Tisch, dafür wird nun gesetzlich eine "Whitelist" erarbeitet? Hier mal wieder ein kleiner Hinweis:
Eine Whitelist funktioniert nur mit Sperren. Sperren sind böse. Ergo: Whitelist böse.

Epilog

Ja, ihr habt richtig gelesen, das Positionspapier hat einen "Epilog". Soll uns das darauf hinweisen, dass es sich um eine Geschichte handelt? Nicht um eine ernstzunehmende Position der CSU, sondern Fiktion?

Aber auch der Inhalt ist amüsant, da sehr verkrampft versucht wird, die Piratenpartei unerwähnt zu lassen.

Zum Abschluss hier also noch zwei kleine Zitate aus dem Epilog, damit ihr zum Ende auch nochmal herzlich lachen könnt.

Ich verabschiede mich mit freundlichen Grüßen,
eine "Ressource"

"Dabei ist auch zu beachten, dass die netzpolitische Diskussion [...] im Jahr 2010 erst richtig aufgenommen wurde. So hat der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, mit seinem Netzdialog und seiner Grundsatzrede zur Netzpolitik am 22. Juni 2010 einen ersten Anstoß gegeben, überkommene politische Positionen zu überdenken und ggf. neu zu bewerten."
"Die parteiinterne und öffentliche Diskussion ist aus Sicht des Netzrates hiermit eröffnet."



Quellen:
[1] http://www.csu.de/partei/netzkongress/positionspapier/index.htm
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Mediendemokratie